Gründerjahre

image Ich war gerade einmal 12 Jahre alt, als ich die langersehnte schwarze Gitarre bekam. Zuvor hatte mein Vater stets gemeint, eine Hamburger Deern mit Alt-Stimme dürfte nur echte Hamburger Seemannslieder singen .Und jetzt hielt ich dieses Geburtstagsgeschenk  in den Händen. Die Gitarre wurde meine Eintrittskarte zur Musikleidenschaft. Ich nahm Unterricht und stand nach zwei Jahren das erstemal mit einer Band auf der Bühne. Und  zwar mit einer echten Skiffle-Band. Während ich also den Skiffle-Rhythmen  eines Lonnie Donegan nacheiferte, jenes Musikers übrigens, der seinen Namen nur durch eine Verwechslung bei einer Ansage erhielt, absolvierte ich zunächst noch den Schulabschluss sowie eine anschließende Ausbildung zur technischen Zeichnerin. Und nachmittags spielte ich mit der Skiffle-Group Stücke wie „Jailer, bring me water” und  „Gambling Man“. Zunächst mit der „Blue Cotton Skiffle Tramp“ sowie der „Modern Style Skiffle Group“ Lonnie Donegan inspirierte mich! Er schuf in mir mit seiner Musik die Grundlagen, die mich schließlich zum Jazz brachten!

In diese großartige Musik stieg ich 1971 ein.
Ich spielte nun mit verschiedenen Gruppen wie den Subway Jazzmen, oft im Remter,  sowie der Old Merry Tale Jazzband . In dieser Zeit entstanden dann auch die ersten Plattenaufnahmen, so u.a. die LP der „Hamburg Allstars aus der Zeit um 1974.
Wir spielten meistens im „Pö“ in Eppendorf, der „Seglerbörse“ in Neumühlen, dem „Remter“ am Dammtor oder in der „Fabrik“  in der Barner Straße in Hamburg Altona. All das waren Läden mit bombiger Stimmung!  Und es waren unvergessliche Nächte!

Nicht alles lief nun aber rund, wie man meinen möchte. So legte ich mit der  Single „Alwin“, - funky Music mit deutschen Text-  einen fürchterlichen Crash hin. Obgleich das Hamburger Abendblatt 1976 diesen Titel als einen der frechsten deutschsprachigen Jazz-Rock-Produktionen, die in den letzten Jahren entstanden war, kommentierte, wollte bzw. durfte kein Radiosender diese  Platte spielen. Der Text war wohl zu zweideutig eindeutig, und die Zeit war ganz offensichtlich noch nicht reif für die Gleichberechtigung.
Heute würde keiner mehr über den Text stolpern. Aber heute kann man offenbar auch die Platte nicht mehr kaufen.
Die B-Seite dieser Scheibe, „Erinnerungen an das Glück“, hingegen lief dagegen sogar in der Schlagerparade.

Gut, mit vielen anderen Titeln war ich auch im Radio, da waren „Lazy River“ und „Hot Time“, da gab es den Jazz Poll 74, ausgerichtet vom Hamburger Abendblatt, bei dem mich meine Freunde zur beliebtesten Sängerin des Jahres wählten. Da gab es die Bild-Stammtische auf dem Hamburger Heiligengeistfeld.
Es war jedenfalls eine ziemlich spannende Zeit, Termine im „Studio B“ mit der Französin France Brifaut oder Fernsehauftritte mit dem unglaublich sympathischen Peter Frankenfeld hielten mich ganz schön auf Trab. Jeder kannte die Sendung „Musik ist Trumpf“.  Die Aktuelle Schaubude lud uns ein, und wir Musiker hatten richtig viel um die Ohren, wie wir in Hamburg sagen.
1974 konnte ich einen zweijährigen Vertrag mit der Old Merry Tale Jazzband abschließen, was in Folge wieder dazu führte, dass mehrere Langspielplatten produziert wurden.

Neben all diesen aufregenden und spannenden Dingen kam dann im Juni 1975 die erste Einladung nach Dresden zum dortigen Dixiland-Festival. Eine viertägige Tournee mit der Old Merry Tale, die uns musikalisch berauschte. Was für Fans! Was für eine grandiose Musik!

Auch in diesem Jahr wählten mich die zahllosen Fans erneut zur beliebtesten Sängerin und ließen mich somit den Hamburger Jazz Poll erneut gewinnen. Ich merkte immer mehr, ich mochte diese Musik, und ich mochte meine treuen Fans. Wieviel Spaß machte es, diesem Publikum den unverfälschten Jazz zu schenken! Es war wirklich wahnsinnig, was da in Hamburg Jazzkellern damals abging!
Nach diesen berauschenden Gründerjahren, mittlerweile hatte ich geheiratet, kehrte dann doch etwas Ruhe ein. Mein erster Mann Klaus-Peter, der mich auch im Musikgeschäft stets  unterstützt  hatte, verunglückte mit dem Motorrad tödlich. Die Jahre danach waren nicht immer leicht. Ich wollte in dieser Zeit nicht auf die Bühne, sondern musste erst einmal etwas Abstand gewinnen.- Der Moment zurück würde eines Tages ganz sicher kommen. Nur jetzt bitte noch nicht.

 




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